Es sind gerade die besseren, die akademischen Kreise, die hartnäckig an der Trennung von Pornografie und Erotik festhalten. Erotische Literatur, Filme und so weiter seien in Ordnung, pornografische hingegen nicht. Ich werde den Verdacht nicht los, dass diese Teilung (die im Zweifel auch gar nicht genau angeben könnte, wo sie die Grenze zieht) ganz im Sinne Michel Foucaults eher etwas über die Konstruktion gesellschaftlicher Verhältnisse durch den Sex-Diskurs als über die Sache selbst aussagt. Die Teilung schließt immer jemanden aus und schafft so eine Elite: Erotik für die Gebildeten, Porno für die Dummen.
In vögeln schreibe ich dazu:
Angesichts der vulgären Parade der Mösen und Schwänze, der Ärsche, Titten, Eier, des wichsens und abspritzens, der ganzen Rein-Raus-Maschinerie gerät die Philosophie in Erklärungsnot. Sie kann das alles nicht verleugnen, sie muss zähneknirschend anerkennen, dass sich trotz der großen Sauerei die Welt einfach weiterdreht. Die Pornografie dreht dem „zeugen im Schönen“ eine lange Nase. Der Philosoph greift zum Rotwein und reagiert mit Denunziation: Ich habe nie gefickt! Erneut versucht er das, was er nicht fassen kann, was ihn aber gleichwohl erfasst, unter das Regime der Vernunft zu bringen. Die Methode ist immer dieselbe: man macht eine Definition, man bildet einen prädikativen Satz. In diesem Falle heißt es dann: Es gibt Erotik und es gibt (was aber etwas ganz anderes ist!) Pornografie. Erotik, so sagt dann der Kenner (und das blöde Publikum nickt beifällig), sei akzeptabel, vielleicht sogar von ansatzweise künstlerischem Wert, weil sie nur andeute. Die Pornografie hingegen, indem sie alles zeige, ließe keinen Raum für das interleggere, das lesen zwischen den Zeilen, und sei daher mit der besonderen menschlichen Fähigkeit der Urteilskraft unvereinbar. Als wenn sich aus solch einer bloß gesagten Unterscheidung auch seinsmäßig ein Solches und ein Solches ergäbe! Was hier aussieht wie Wissen, ist doch bloß Meinung: In der Verwendung bestimmter Kodierungen und Verschlüsselungen tritt uns die Wahrheit als verschleierte gegenüber, die nur vom „Kenner“ entschlüsselt beziehungsweise erkannt werden könne. Die Wahrheit als notorisch verschleierte ist aber keine Aufgabe, die sich der Erkenntnis stellt, sondern sie ist vorrangig eine Taktik zur Verschleierung von Herrschaftsansprüchen. Indem man die Pornografie im Namen der Erotik denunziert, untermauert man die hegemonialen Ansprüche des Vernunftgeschlechts. Durch die willkürliche Unterscheidung von Pornografie und Erotik wird ein künstlicher Schleier erzeugt, der dem Wissen einen vermeintlichen Nimbus der Intimität verleihen (und es damit adeln) soll. Dabei gibt es – und dies ist vielleicht einmal eines der größeren Erkenntnisse der Philosophie – gar kein Falsches. Wissen besteht nicht darin zu sagen, was etwas nicht ist, sondern sagen zu können, was etwas auch ist.
Die Pornografie ist performative Vernunftkritik.