Auszug aus dem Interview am 12.10.2016:
(das ganze Gespräch zum nachhören hier)
Was zählt mehr im Leben: das Körperliche oder das Denken? Mit diesem Problem beschäftigt sich Matthias Gronemeyer in seinem Buch „Vögeln – eine Philosophie vom Sex“. Er kritisiert die Verbannung des Körperlichen aus der Sprache der Philosophie.
Der Philosoph Matthias Gronemeyer gibt seinen Kollegen Nachhilfeunterricht in lustvollem Verhalten: „Vögeln – eine Philosophie vom Sex“ heißt sein neues Buch. Seine Disziplin sei eine „anti-sexuelle Bewegung“ und praktiziere die „Flucht aus der Wirklichkeit in die Wahrheit“, kritisiert der Autor.
Die Abwertung der körperlichen Liebe sei schon seit der Antike bekannt, so beschreibt es Gronemeyer im Deutschlandradio Kultur. Das finde sich etwa in dem Werk „Symposion“ von Platon, das praktisch die „Gründungscharta der Philosophie“ darstelle:
„Sie läuft darauf hinaus, dass das Denken, also das Nicht-Körperliche das eigentlich Erotische sei. Und die ganze körperliche Liebe wird da doch denunziert. Und das zieht sich eigentlich durch die ganze Philosophiegeschichte durch.“
Gronemeyers Buch enthält eine Reihe von deftigen Szenen. An dieses Thema dürfe man nicht mit spitzen Fingern herangehen, meint der Autor in seinem Vorwort. Welcher „philosophische Mehrwert“ könnte aus einer gewissen Drastik der Worte entstehen?
„Es ist vor allem der Versuch, mal aus dieser sehr eng geführten wissenschaftlichen Sprache herauszukommen. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum sich zumindest die akademische Philosophie so wahnsinnig schwer tut: Weil sie sich quasi ein Begriffskorsett angelegt hat, was alles Körperliche, alles Riechende, alles Schmeckende, vielleicht auch alles Eklige und Vulgäre irgendwie außen vor hält. Und versucht, die Vernunft in ihrer Reinheit zu erhalten.“
Die richtige Sprache für Sexualität zu finden – das fällt vielen Autoren schwer. Es handele sich zum einen um ein allgemeines Sprachproblem, meint Gronemeyer. Zum andere sei „Vögeln“ eben etwas sehr Privates. Damit sei ein gewisser Konflikt vorgegeben:
„Und da haben wir schon die erste Friktion. Auf der einen Seite etwas sehr Öffentliches – die Sprache. Und auf der anderen Seite etwas sehr Intimes, so dass da der Übergang schwierig wird.“